Rede zur Regierungserklärung der Hessischen Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung mit dem Titel „Hessen gestaltet die Zukunft: Digitaler Wandel für und mit den Menschen“ am 10.12.2019

Vizepräsident Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn:

Vielen Dank, Herr Kollege. Wir waren auch hier duldsam und haben Zuschlag gewährt. Wir haben ja heute Zeit, morgen Zeit, übermorgen Zeit. – Herr Kollege Honka, Sie sind schon hier. Vielen herzlichen Dank, dann sind Sie jetzt auch dran.

Hartmut Honka (CDU):

Verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob ich das Weihnachtsgeschenk von vermehrter Redezeit für notwendig halte. – Lieber Herr Kollege Stirböck, Sie haben vorhin die digitale Arbeit der FDP-Fraktion so gelobt. Ich hoffe, dass Sie auch weiterhin arbeitsfähig bleiben werden und es Ihnen nicht eines Tages so geht, dass es heißt: Mit einem Wisch war alles weg. – Ich wünsche Ihnen alles Gute dabei.

Meine Damen und Herren, Frau Ministerin Sinemus hat es durchaus so gesagt: Hessen hat eine Adresse zum Thema Digitalisierung, und das ist gut, und das zeichnet uns auch im Gegensatz zu anderen Bundesländern aus. Das zeichnet uns Hessen auch im Gegensatz zum Bund aus, wo mehrere Minister das Alleinvertretungsrecht beanspruchen. Bei uns haben wir eine Ministerin im gesamten Kabinett, die zusammen mit ihren Fachkolleginnen und -kollegen das Thema in all seinen Facetten wirksam bearbeitet, damit wir es in diesen fünf Jahren nach vorne bringen werden.

(Beifall Armin Schwarz und Ismail Tipi (CDU))

Es betrifft alle Lebensbereiche, und es betrifft auch alle Ressorts. Insofern ist es wichtig und im Gegensatz zu dem, was der eine oder andere hier gesagt hat, auch richtig, dass die Fachministerinnen und Fachminister jeweils in ihrem eigenen Ressortzuschnitt weiterhin Verantwortung tragen.

Wir haben ein neues Ministerium seit dem 18. Januar, also quasi seit elf Monaten. In diesen elf Monaten ist eine ganze Menge passiert; das wollen wir einmal ganz ehrlich feststellen. Es ist vor allem dem Engagement der Ministerin und ihres Teams, das von Anfang an dabei war, zu verdanken, das diesen Geschäftsbetrieb – ich nenne es einmal so – mit aufgebaut hat und gleichzeitig schon von Anfang an mit versucht hat, die Programme, die da waren und umressortiert worden sind, zu übernehmen. Sie haben also schon gearbeitet und zugleich etwas Neues aufgebaut. Das ist nicht ganz einfach, und ich glaube, das ist aller Ehren wert und vor allem auch unseres Dankes an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wert, dass sie das in diesen elf Monaten so erfolgreich geschafft haben.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir zu dem einen oder anderen Punkt, der in den Reden angesprochen wurde. Das ist das Schöne, wenn man ganz am Ende dran ist: Da sind so viele Punkte aufs Tapet gebracht, das man seinen eigenen Zettel fast gar nicht mehr braucht.

Der Digitalpakt Schule ist angesprochen worden. Der Digitalpakt Schule ist definitiv eines der Zukunftsthemen. Aber ich glaube, wir als Hessen brauchen uns da nicht zu verstecken. Wir haben dort eine Mindestbeteiligung von 10 % vom Bund vorgegeben bekommen, und wir Hessen haben sie auf 25 % aufgestockt. Damit sind wir Spitzenreiter in Deutschland. Da können sich alle anderen Bundesländer hinter uns verstecken.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir lassen auch an der Stelle die Lehrkräfte nicht alleine. Wir haben – das nur einmal als Stichwort, damit sich der eine oder andere daran erinnert – die Servicestelle für verantwortungsvolle Mediennutzung eingerichtet, weil wir genau wissen, dass die Lehrkräfte, die heute schon da sind und die – ich hätte jetzt fast gesagt: aus einer anderen Zeit kommen –

(Michael Boddenberg (CDU): So Leute wie ich!)

aus der Gegenwart kommen und jetzt in diese Zukunft mit hineingehen, dort mitgenommen werden müssen und Unterstützung brauchen. Die bieten wir ihnen, und die wollen wir allen anbieten. Daher sind wir da richtig aufgestellt.

Um auch einmal die eine oder andere Zahl in den Topf zu werfen: Glasfaseranbindung von Schulen – da sind bereits 26,7 Millionen € fix zugesagt. Ich denke, das ist eine Summe, die sich definitiv sehen lassen kann.

Mobilfunkausbau – das ist eines der beliebtesten Themen, die wir immer wieder haben. Ja, es ist für jeden Einzelnen von uns immer wieder ärgerlich, wenn das Funkloch gera- de in dem Moment zuschlägt, wenn man telefonieren möchte.

Ja, es gehört aber auch zur Realität dazu – der eine oder andere hat es bemängelt –, wie der Netzausbau funktio- niert. Mit Verlaub, die Kolleginnen und Kollegen, die das kritisieren: Bitte denken Sie daran, dass diese Rahmenbedingungen und die Aussagen, nach welchen Schemata aus- gebaut werden muss, vom Bund gemacht werden, und zwar über die Bundesnetzagentur. Sie werden hier nicht von der Hessischen Landesregierung alleine beschlossen. Das Thema Haushaltsabdeckung ist vielmehr eine Auflage des Bundes.

Unser Förderprogramm setzt genau an dieser Stelle an, dass wir dort, wo keine Haushaltsabdeckung nachzuweisen ist, wo der Markt es nicht schafft, dann mit Fördermitteln hineingehen und nicht dort, wo es sowieso marktgetrieben funktioniert.

(Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um es ganz klar zu sagen: Dort, wo marktgetriebener Ausbau funktioniert, müssen nicht auch noch Steuergelder obendrauf gelegt werden, sondern das muss dort geschehen, wo es nicht funktioniert.

(Beifall CDU – Günter Rudolph (SPD): Das funktio- niert ja riesig! Die Anbieter standen Schlange! – Ge- genruf Michael Boddenberg (CDU))

– Das mag der eine oder andere anders sehen. Aber es ist halt so.

(Zurufe SPD)

– Die Kollegen der SPD merken gerade auf. Das ist schön. Vielleicht erinnert ihr euch an der einen oder anderen Stelle, dass ihr auch noch Teil der Bundesregierung seid.

(Zuruf Günter Rudolph (SPD))

Der Kollege Andi Scheuer, einer der Zuständigen für das Thema Digitalisierung in Berlin, hat einmal ein Papier aufgesetzt, an welchen Stellen man in Berlin Regelungen im Bundesrecht ändern müsste, damit wir beim Netzausbau zügiger vorankommen. Und wer bremst dort aus? – Alle SPD-geführten Kabinettsmitglieder, alle SPD-geführten Ressorts. An der Stelle sollten Sie bitte vielleicht erst einmal zu Hause in der eigenen Partei mitteilen, an welchen Stellen es hakt, und dafür sorgen, dass es dort läuft. Dann können wir auch gerne hier weiter miteinander diskutieren.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Nordhessen-Cluster ist angesprochen worden. Ich möchte da noch einen Schritt weiter gen Süden gehen. Das liegt hier zu uns etwas näher. Die Gigabitregion Frankfurt RheinMain, das Rhein-Main-Gebiet als der Herzmuskel unserer Wirtschaftsregion, steht jetzt auch definitiv auf der Agenda, um dort im Bereich des Glasfasernetzausbaus vor- anzuschreiten. Auch das ist für uns ganz wichtig.

Mobilfunk war ja angesprochen: drei Masten pro Tag werden entweder erneuert oder neu gebaut. Das sind Punkte, die ganz oben auf der Agenda stehen.

Arbeitsplätze, Förderung von Start-ups. Da ist eben angesprochen worden: Distr@l als neues Förderinstrument. Mit Verlaub: Es ist ein neues Förderinstrument, das neben all den anderen Förderinstrumenten steht, die es in anderen Ministerien auch für Start-ups, für Wissenschaftsförderung, für KMU gibt, und noch einmal einen neuen Schwerpunkt setzt für kleine und mittlere Unternehmen bei ihrer digitalen Transformation.

Ja, man kann sagen, 40 Millionen € sind wenig Geld. Ich finde, 40 Millionen € sind eine ganze Menge Geld. Wenn man sich einmal genau anschaut, wie solche Fördersys- teme funktionieren, dann ist doch vollkommen klar: Die Unternehmen überleben nicht, weil sie 40 Millionen € be- kommen oder – wie eben dazu umgerechnet wurde – 32 € pro Unternehmen bekommen, sondern weil das Anschubfinanzierungen sind. Wenn aus so einem Förderprogramm 100.000 € kommen, dann haben die Unternehmen Anspruch und vor allem die Chance, von anderen Venture-Capital-Geldgebern auch Kapital zu bekommen. Darum geht es uns. Wir wollen dort einen Punkt setzen, dass sich dann auch andere daran beteiligen. Das bedeutet dann einen enormen Schub und eine Vervielfachung der 40 Millio- nen €.

Kommen wir einmal zu einem Punkt, der auch damit zusammenhängt. Wir haben jetzt schon viel gehört, was vielleicht der eine oder andere nicht will. Ich glaube, wir müssen uns hier als Gesellschaft – nicht nur als Landtag – ehrlicherweise Gedanken machen über die Frage: An welchen Stellen wollen wir das Feld nicht den amerikanischen Großkonzernen überlassen, sondern eigene Schritte gehen?

(Zuruf DIE LINKE: Hört, hört!)

Das wären z. B. Themen wie die digitale Identität oder auch die Frage von digitalen Währungen. Wir müssen diese Dinge nicht nur als Hessischer Landtag, sondern als Politik insgesamt in Deutschland ernsthaft beantworten, ernsthaft vorantreiben; denn wir – zumindest wir – wollen nicht, dass am Ende Facebook alleine darüber entscheidet, wer wie im Internet heißt oder wer es ist, der vielleicht mit Libra bestimmt, wie die Währung der Zukunft aussieht. Das muss in staatlicher Hand bleiben, so wie es in der analogen Welt der Fall ist. Dazu – das muss ich aber auch gestehen – habe ich von Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, hier noch kein Wort gehört.

(Zuruf Oliver Stirböck (Freie Demokraten))

Wenn Sie sagen, wir betrachteten nur die Vergangenheit, dann will ich nur einmal ganz kurz darauf hinweisen: Sie betrachten zum Teil anscheinend nicht die Gegenwart und die Realität.

(Fortgesetzte Zurufe SPD, Freie Demokraten und DIE LINKE)

Kommen wir noch einmal zu der Frage: Die Digitalisierung soll den Menschen nutzen. Ja, das ist ein wesentlicher Baustein für uns und ein wesentlicher Faktor. Das Onlinezugangsgesetz wird an dieser Stelle eine ganz herausgehobene Position in dieser Wahlperiode haben. Beim Onlinezugangsgesetz geht es nicht nur um die Frage eines digitalen Zugangs für Bürger zu den Dienstleistungen, sondern es geht auch um den Anknüpfungspunkt für uns insgesamt in der Bundesrepublik, unsere Verwaltungen noch einmal neu zu betrachten. Es geht auch darum, an der Stelle Pro- zesse noch einmal anzuschauen und zu prüfen: Wie können wir sie neu gestalten? Denn auch wir als Staat haben durchaus die Erfahrung gemacht – das wissen wir, die wir schon ein paar Jahre dabei sind –, dass das Thema Fachkräftemangel auch bei uns in den Verwaltungen zuschlägt. Daher können wir dort durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz, moderner Software und moderner Hardware durchaus Ressourcen schaffen, dass die Standardfälle – d. h. Anträge, vom Bürger direkt eingegeben und mit seinen Daten gestellt – einfach mit dem Computer erledigt werden, damit die Sachbearbeiter, die wir haben, sich um die wirklich schwierigen Fälle, die Problemfälle kümmern können, um dort für den Bürger da zu sein.

Das bedeutet für uns, dass das Land Hessen als Partner der Kommunen auftritt und dass wir das an der Stelle nicht mit Geld, sondern mit einer Sachleistung machen, indem wir eine Software lizenzieren, die wir allen Kommunen zur Verfügung stellen, um auf diesem Weg gemeinsam in die richtige Richtung zu gehen.

Zuletzt möchte ich das Thema „Kompetenzzentrum für verantwortungsbewusste Digitalisierung“ ansprechen. Von Frau Prof. Sinemus ist mehrfach angesprochen worden: Die Digitalisierung muss dem Menschen dienen – nicht umgekehrt.

Das bedeutet in diesem Bereich ganz eindeutig, dass man sich immer wieder die Frage stellen muss: Macht man etwas, nur weil man es kann, oder macht man gewisse technische Entwicklungen, weil sie richtig sind, weil man überlegt hat, welche Konsequenzen sie haben, und weil man sich darüber im Klaren ist, was dort passiert? Wir brauchen dort ein Höchstmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz, auch bei der Frage: Welche Entscheidung kann bzw. darf ein Computer oder ein Algorithmus autonom selbst übernehmen und welche nicht?

Diese Fragen müssen wir als Gesellschaft rechtzeitig miteinander klären. Für genau solche Fragen ist dieses Kompetenzzentrum der richtige Ort.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass dieses Kompetenzzentrum bei uns in Hessen einge- richtet wurde, hat einen kleinen Beigeschmack. Wissen- schaft funktioniert nie losgelöst. Wissenschaft funktioniert immer in dem Rahmen, in dem sie aktiv ist, also auch im Austausch mit den Unternehmen im Umfeld einer Universität. Das bedeutet: Dieses Kompetenzzentrum hier in Hessen mit dem Schwerpunkt in Darmstadt ist natürlich auch für den Standort und für die Zukunft des Standortes Hessen wichtig und von Bedeutung; denn dort werden auch die Fachkräfte von morgen ausgebildet. Das schafft Zukunft. Das stärkt unseren Standort Hessen.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen ein kleines Zitat aus der Vergangenheit mitgeben. Ich gehe ein paar Jahre weiter in die Vergangenheit. Ich gehe zu Seneca, der im ersten Jahrhundert nach Christus gelebt hat. Von ihm ist das Zitat überliefert:

Nicht weil es schwierig ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwierig.

Viel Vergnügen beim Nachdenken darüber. – Schönen Abend.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)